Jetzt wird's spirituell
Lange nichts mehr von mir hören lassen! Es war zwar viel los in den letzten Monaten, aber irgendwie war die Muße zum Schreiben nicht da und so richtig tolle Inhalte musste ich doch erstmal zusammensammeln.
In Japan wir es gerade nach dem recht milden, aber dennoch kalten Winter gerade wieder warm und man kann in Shizuoka schon die ersten Kirschblüten sprießen sehen. Ein schönes Bild, nach den eher kahlen Wintertagen. Schnee habe ich diesen Winter (von der Spitze des Fuji abgesehen) nur einmal gesehen, das war auf der Raststätte als ich nochmal nach Tokyo gefahren bin. Aber hey, immerhin der berühmteste Vulkan Japans trägt brav sein Schneemützchen.
Das war besagte Raststätte. Weil er ein bisschen schüchtern war, hat Fuji-san sich eine Wolke vors Gesicht gezogen |
Bevor wir uns aber den Winter vornehmen, gehen wir nochmal in den Herbst zurück. Dort habe ich nämlich im Rahmen der Uni einige interessante Ausflüge gemacht.
Im November war seitens der Uni ein Home Visit organisiert worden- ein oder zwei Austauschstudenten verbrachten einen Tag mit einer japanischen Familie. Eine indonesische Mitschülerin und ich verbrachten also einen Tag mit einer vierköpfigen Familie, mit Sightseeing und Sushi bis zum Abwinken.
Unsere erste Station an diesem Tag war der Sengen Jinja, ein Schrein unweit vom Studentenwohnheim. Da in der Woche zuvor der Shinto-Feiertag "Shichi-go-san" stattfand, das Wetter aber schlecht war, war der Tempel entsprechend voll mit Familien, die diese Feier nachholten. Shichi-go-san ist ein Fest bei dem für das gute Wachstum von Kindern gebeten wird (und damit natürlich auch eine gute Zukunft) und wird für Mädchen und Jungen von 3, Jungen von 5 und Mädchen von 7 Jahren zelebriert. Viele kleine Kinder in bunten Kimonos wuselten am Tempel herum, aber wir ließen es uns trotz allem nicht nehmen, einen Omikuji, einen Orakelzettel zu ziehen. Auf diesen Zetteln bekommt man Segen oder Fluch vorausgesagt (es gibt verschiedene Abstufungen, ich hatte in dem Fall Shou-kichi, also kleinen Segen), mit einzelnen Voraussagen für verschiedene Aspekte des Lebens, von finanziellem und beruflichen bis hin zum möglichen Verlauf einer Schwangerschaft und der allgemeinen Gesundheit. Wenn man zufrieden ist nimmt man diese Zettel mit und trägt sie immer bei sich (und verbrennt sie, wenn man einen neuen zieht mit einem Gebet). Gefällt einem die Botschaft nicht, so bedankt man sich mit einem Gebet und knotet den Zettel an eine Leine auf dem Schreingelände, was das Unglück abwenden soll.
Apropos Gebet: Auch das haben wir gemacht. Dazu muss man sich zuerst mit Wasser die Hände reinigen (eigentlich auch den Mund, aber das machen nur noch die wenigsten). Dann wirft man eine Opfergabe (kleinere Münzbeträge) in eine Holzkiste, verbeugt sich und klatscht zweimal um die Götter zu beschwören. Jeder Schrein ist anderen Gottheiten gewidmet, die für unterschiedliche Bereiche des Lebens stehen. Es gibt zum Beispiel Schreine, deren Gottheiten für gutes Lernen und Prüfungserfolg zuständig sind.
Nach einem Mittagessen im Sushi-Restaurant ging es dann zu einem weiteren Tempel und zu einem besonders bekannten Aussichtspunkt in Japan. Wir fuhren zum Nihondaira, einem Berg von dem aus man die Bucht von Shimizu und bei guten Wetter den Fujiyama sehen kann- das Wetter war so lala, also konnte man ihn an diesem Tag leider nicht sehen. Der Tempel dort oben heißt Kunozan Toshogu und ist Shogun Tokugawa Ieyasu gewidment (den hatten ich ja schonmal erwähnt...), dessen Herz bzw. Seele dort eingeschreint sein soll. Es gibt zwei Möglichkeiten dorthin zu gelangen: Zum einen kann man von Shimizu aus Treppen zum Schrein hinaufsteigen. Die bequemere Variante dagegen ist es auf den Nihondaira zu fahren (das geht mit Bus oder Auto) und von dort aus die Seilbahn zu nehmen. Wir entschieden uns aus zeitlichen Gründen für letzteres, standen jedoch dann erstmal sehr lange im Stau, weil wegen des trockenen Wetters der Andrang im dortigen Zoo gewaltig war- der liegt leider genau auf der Strecke zum Gipfel. Und auf dem Rückweg landeten wir dann im Stau der Heimkehrer. Super-Timing.
Am Schrein selber gibt es verschiedene Teile der Anlage. Weiter unten verkauft das Tempelpersonal Eintrittskarten und kleine Glücksbringer, sogenannte Omamori (von denen ich auch einige als Souvenirs gekauft habe- funktionieren ähnlich wie Omikuji, sollen aber nur ein Jahr lang wirken). Es gibt Bänke und man kann Snacks und Getränke kaufen. Noch ein Stück weiter unten, an den Stufen zum Hafen, gibt es kleine Aussichtspunkte. Ganz oben befindet sich dann der eigentliche Tempel, der ziemlich prunkvoll und farbenprächtig ist. Da die Stufen dorthin ziemlich groß und krumm sind, kann man sich Bambusstäbe ausleihen und sie als Hilfe zum Besteigen nutzen.
Hier soll er ruhen, der gute Ieyasu. |
Aber das war nicht die letzte religiöse Stätte, die wir besuchten. Shinto ist nur eine der beiden wichtigsten japanischen Religionen und daher begaben wir uns einige Tage später dann zu einem buddhistischen Tempel, unweit des Sengen Jinja. Ziel des Ausflugs war neben einer kleinen Frage-Antwort-Runde mit Grundschulkindern (die unfassbar schüchtern, aber sehr interessiert an und Austauschstudenten waren) die Zazen-Meditation, als sitzendes Zen. Dazu waren im ganzen Raum Sitzkissen angeordnet. Wie es sich für ein Tatami-Zimmer gehört zogen wir also Schuhe und Socken aus und setzten uns im Schneidersitz auf die Kissen- was gar nicht so angenehm war, denn an allen Seiten waren die Türen geöffnet und es war entsprechend frostig. Die Hände legt man ineinander und schließt dann die Augen. 25 Minuten lang muss diese Position gehalten werden- sonst gibt es Schläge! Die Mönche die nicht selber meditierten schritten mit Holzlatten durch den Raum. Wer nicht still saß oder austreten musste bekam damit zwei Schläge auf die Schulter. Autsch! Ich selber blieb davon verschont, auch wenn ich es vom anderen Ende des Raumes habe klatschen hören. Danach wieder aufzustehen war übrigens entsprechend schwer, weil mir schon nach fünf Minuten ein Bein eingeschlafen ist. Nach der Meditation besichtigten wir noch gemeinsam den Tempel. Die Mönche waren sehr nett und beantworteten geduldig die Fragen der Kinder. Danach ging es dann wieder Heim, man gab uns aber noch ein Bento (eine kleine Lunchbox) mit nach Hause. Das
Mittagessen war gerettet!Bevor der Eintrag jetzt zu lang wird, teile ich das ganze erstmal auf und setze die Berichterstattung ein andern mal fort. Im nächsten Eintrag berichte ich dann von einer Schlossbesichtigung und einer informellen Teezeremonie, bevor es dann wieder ein bisschen mit dem Alltag weitergeht.
Entschuldigt die lange Wartezeit!
In diesem Sinne: Mata ne!
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