Sonntag, 8. November 2015

"Miriam, kannst du mal Hund sagen?"- Leben in Shizuoka

"Miriam, kannst du mal Hund sagen?"- Leben in Shizuoka

Hallihallo zusammen. Lange ist's her, dass ich mich das letzte Mal gemeldet habe. Der Grund? Naja. Als ich in Shizuoka ankam ist eine Woche lang erstmal nichts passiert und dann ist so viel los gewesen, dass ich nicht so wirklich Zeit und Muße zum schreiben hatte...!

Aber ja... bei mir ist soweit alles gut und es wird demnächst hoffentlich wieder ein paar mehr Einträge geben. Wenn auch nicht mehr in dem Tempo was ich in Tokyo draufhatte, aber das war ja auch was besonderes :)

Da ist er endlich, der Fujiyama. Sogar passend zum Blogtitel morgens fotografiert!



Was ist also in den letzten Wochen passiert? Nun ja. Zu allererst bin ich natürlich, wie im letzten Eintrag geschrieben, von Tokyo nach Shizuoka gefahren. Am Bahnhof hat mich dann ein Deutschlehrer von der Uni Shizuoka abgeholt und er war sogar so nett mich zum Essen eingeladen! Das war mein erstes richtig japanisches Sushi... und sah ungefähr so aus:

Und das war nur ein Teil unseres Menüs!
Ich habe dann die erste Woche im Hotel gewohnt (in der Nähe vom Bahnhof) und mich mit dem Stadtzentrum vertraut gemacht, wie Spielzeugläden, großen Kaufhäusern, Buchhandlungen, Kinos usw.

Am 1. Oktober ging es dann ins Wohnheim. Der bereits erwähnte Deutschlehrer (von dem auch das Zitat in der Überschrift stand) hat mich und meine zwei Koffer also dorthin gefahren und... nach einigen Pannen, hab ich dann die anderen Deutschen wiedergetroffen und wir haben unsere Tutoren kennengelernt. Wir waren dann an der Uni (bei wunderbarem strömendem Regen) und dann ging es abends zum "Nomikai"- Nomikai bedeutet im Prinzip, dass man sich in einer japanischen Kneipe (Izakaya) trifft und dort für eine bestimmte Zeit ist und trinkt- man kann tatsächlich nur für eine bestimmte Anzahl an Stunden dort bleiben, weswegen meist noch mindestens eine zweite Runde angehängt wird, bei der die Örtlichkeit gewechselt wird. Darauf verzichte ich aber meist dankend, weil ich danach immer total müde bin.
Auf dem Weg in die Stadt durchquert man dieses Schlosstor
Die erste Woche war dann erstmal nur Papierkrieg. Anmeldung bei der Stadt, Versicherungen abschließen, Buskarte kaufen (Im Prinzip eine Prepaid-Karte, damit man nicht immer bar bezahlen muss)... was man halt so beim Umzug alles regelt. Das Wohnheim liegt übrigens sehr nah am
Stadtzentrum, weshalb das meiste Gott sei Dank zu Fuß erledigt werden konnte. Leider liegt es dafür sehr weit von der Uni entfernt... die ist nämlich an einem Berghang am Stadtrand.

Die Uni ist zwar weit vom Stadtzentrum, dafür kann man aber die ganze Stadt von dort aus sehen!
Das Uni-Maskottchen, Shizuppi
Am Donnerstag der darauffolgenden Woche war dann der erste Uni-Tag... der direkt mit einem Test begann. Um unsere Sprachkurse festzulegen mussten wir natürlich eingestuft werden und dazu gab es eben einen Multiple Choice Test und ein kurzes Blabla mit den Leuten vom International Center. Ich bin in Level 2 (also das zweitniedrigste Level) gestuft worden, was... zugegeben relativ easy ist. Man kann aber Kurse aus dem nächsthöheren (und nächstniedrigeren) Level dazuwählen, weshalb ich
auch noch ein paar Kurse Level 3 belege- sowie zwei Deutschkurse, wo wir sozusagen den Japanern die Deutsch lernen unter die Arme greifen und einen Kulturkurs, mit dem wir regelmäßig auf Exkursionen gehen.





Die erste Exkursion ging ins "My Home Center", eine Ausstellung verschiedener neuer Häuser, die man (als Japaner mit einem japanischen Grundstück) käuflich erweben kann. Sofern man das Geld hat, denn japanische Eigenheime sind, ähnlich wie Deutsche, nicht gerade billig. Es ging im Prinzip
Ein Zimmer für Wan-chan (oder Bello. Oder Liesel)
darum, dass wir einen Eindruck davon bekommen, wie Japaner so leben, wobei wir uns natürlich in erster Linie die teuersten Häuser zum Schauen ausgesucht haben- so viel also zum alltäglichen Leben in Japan ;)
Was ich besonders interessant fand, waren die teils recht ungewöhnlichen Räume (und deren Anordnungen). Ein Haus hatte beispielsweise ein eigenes Hundezimmer, dass an das Wohnzimmer angeschlossen war. Das selbe Haus hatte übrigens auch einen Dachgarten- ziemlich praktisch, da in japanischen Städten oftmals kein Platz für einen richtigen Garten ist. Viele Häuser hatten natürlich auch ein Tatami-Zimmer, obwohl das eigentlich nicht
Ein Tatami-Zimmer wie meine Beine es mögen.
mehr unbedingt üblich ist. Aber es hat einfach etwas, seine Gäste in so einem traditionellem Raum zu Empfangen. Eines der ausgestellten Tatami-Zimmer hatte sogar unter dem niedrigen Tisch eine Vertiefung für die Füße, wie viele Izakaya dieser Tage auch- sehr angenehm, denn auf Dauer zu knien oder im Schneidersitz zu sitzen (was bei Frauen nicht unbedingt gern gesehen ist) tut ganz schön weh.

Danach gab es einen kurzen Trip in eine Wasabi-Fabrik, wo man sich in einem Raum mit Wasabi-Dampf foltern... äh... herausfordern konnte. Ich war selber nicht drin, aber meine Augen haben sich schon außerhalb des Raumes beschwert (beim Schreiben tun sie schon wieder weh). Im Souvenirshop nebenan gab es dann alle erdenklichen Speisen mit dem scharfen Meerettich. Die eingelegten Shiitake-Pilze waren schon echt lecker, aber die Schoko-Waffel war im Nachgeschmack dann doch nicht mein Ding.

In der gleichen Woche war ich übrigens wieder mal nerdig unterwegs. Kamen Rider Drive, die Serie in der der bereits in den Tokyo-Blogs erwähnte Yu Inaba dabei war, endete im Oktober nach einem Jahr Laufzeit und es gab eine große Abschiedsshow- die ich gerne vor Ort in Tokyo gesehen hatte, aber das war dann doch nicht möglich, weil ich keine Zeit hatte zu fahren (auch wenn ich montags frei habe) und sowieso kein Ticket mehr bekommen hätte. Jap. Die Show war auf einem
Montagabend. Manchmal fühle ich mich schon ein bisschen vera...lbert.
Daumen hoch für Live Viewing im Kino!
Ich musste aber zum Glück nicht bis Februar auf die DVD warten, um mir über diese Show die Augen vor Abschiedsschmerz auszuweinen, denn es gab in einem Kino in Shizuoka ein Live-Viewing. Das war dann doch stressfreier und günstiger und man hatte trotzdem das Gefühl direkt vor Ort dabei zu sein! (wer sich Details durchlesen möchte, kann das gerne hier tun: http://toku-dachi.blogspot.jp/2015/10/suzu-in-japan-sayounara-kamen-rider.html)


Die Deko hätte ich gern für den heimischen Garten
Am letzten Wochenende gab es dann aber doch ein Event, was man sogar nur in Shizuoka bewundern konnte: Den Daidogei World Cup! Für alle die denken: Was zur Hölle ist Daidogei? Das haben wir uns auch erstmal gefragt. Daidogei bedeutet so viel wie Straßenkunst- es waren also Schausteller da,
die ihre Auftritte in den Fußgängerzonen statt auf den Bühnen der Welt gaben. Leider habe ich nicht so viel davon gesehen, weil es an der Bühne extrem voll war und der Tag an dem ich dort war wegen dem schlechten Wetter auch buchstäblich ziemlich ins Wasser fiel, aber das was ich gesehen habe, war schon ziemlich interessant. Es gab allerhand Buden, die man sich wie bei einem deutschen Volksfest vorstellen kann: Stände zum selbst kreativ werden und mit Spielzeug für die Kids, Gerichte und Getränke aller Art und Süßkram- vor allem Paradiesäpfel. Auf verschiedenen Bühnen im Park, aber auch in der Innenstadt (dort auch oft ohne Bühne) präsentierten also Straßenkünstler aus aller Welt die unterschiedlichsten Dinge. Von Akrobatik über kleine Theaterstücke, traditionellen Gesang und Tanz sowie Stelzenlauf und Clowns-Sketche war so ziemlich alles dabei.

Daidogei Performance!
 Man könnte also fast den Eindruck bekommen, dass ich mir nur die moderne Seite von Japan angesehen habe... aber ich habe mir auch ein paar traditionellere Dinge angeschaut. In dem Park, in dem auch der Daidogei World Cup stattfand (und durch den ich immer in die Stadt gehe) ist nämlich auch ein Museum... denn dieser Park war früher der Ort, an dem das Sumpu Schloss, die Sommerresidenz von Shogun Tokugawa Ieyasu gestanden hat. Mit den anderen Deutschen und zwei
Mitstudentinnen aus der Slowakei und Tschechien haben wir uns von einem Führer dort in einem Mix aus Japanisch und gebrochenen Englisch die Geschichte des Schlosses erzählen lassen. Es war schon ziemlich interessant zu sehen, wie die Stadt früher aussah und man muss dem guten Herrn Tokugawa lassen... er hat sich ne ziemlich schöne Ecke von Japan ausgesucht um den Sommer zu verbringen. Leider ist von dem Schloss nicht mehr viel übrig, außer den Mauern und dazugehörenden Wassergräben und einigen restaurierten Gebäudeteilen, wie dem Tor, in dem sich auch das Museum befindet.

Ein Ort von dem allerdings erstaunlich viel erhalten geblieben ist, sind die Toro-Ruinen. Hinter dem Namen steckt eine Ausgrabungsstätte der Yayoi-Ära (ca. 400 vor bis 200 nach Christus), die Mitte bis
Wohn- und Lagerhäuser
Ende der 40er-Jahre entdeckt wurde. Zwischen den alten Häusern gibt es einige Angebote, um das Feeling der Zeit selbst zu erleben. Schulklassen dort können zum Beispiel bei der Reisernte helfen und man hat auch die Chance selbst Feuer zu machen. Hinter der Ausgrabungsstätte gibt es ein Museum mit Infos zum Ort und den Funden dort, sowie eine Spezialausstellung, in der man sich in einer nachgebildeten Siedlung selber bewegen und ausprobieren kann (Man kann dort z.B. Keramiktöpfe zusammensetzen, Reis pflanzen und sich Kleidung aus der Zeit anziehen).

Auf dem Dach des Museums befindet sich eine Aussichtsterasse, von der man aus neben den Ruinen auch die ganze Stadt sehen kann- inklusive des Fujiyama, sofern das Wetter es denn zulässt. Als wir da waren war das Wetter zum Glück wunderbar und so entstand dieses Foto:

 

Rechts am Berghang sieht man die Universität (kurz Shizudai genannt) und links, ein wenig in Wolken gehüllt den Fujiyama. Ziemlich cool, oder?
Ein Eingang mit Stil

Die Lampe möchte ich auch haben!
Nach diesem Trip in die Vergangenheit haben wir uns dann doch nochmal etwas zeitgemäßeres angesehen. Denn direkt neben den Ruinen liegt das Serizawa Keisuke Kunstmuseum. Serizawa Keisuke war bekannt für seine wunderbaren Drucke auf verschiedenen Stoffen und Papieren. Zu seinen Werken gehören zum Beispiel Kimonos oder Fächer, aber auch Buchumschläge oder Vorhänge. Viele seiner Drucke basieren auf Stilisierungen der japanischen Schrift, so gibt es zum Beispiel Kimonos, die mit einem der japanischen Silbenalphabete (Hiragana) dekoriert sind. Zu Lebzeiten durfte er zum Beispiel seine Arbeit im Louvre ausstellen und wurde zu einem "lebenden nationalen Schatz" erklärt. Und das zu Recht, denn seine Werke sehen wirklich stilvoll aus. Auch wenn es als Japanischstudent manchmal etwas schwierig ist, die Schrift auf den Drucken zu entziffern. Bei manchen Worten kam man wirklich erst drauf, wenn es einem gesagt wurde bzw. man die Infotafeln las. Aber ich glaube, dass selbst ein Japaner manchmal davor steht und denkt: Ich sollte das wissen, aber ich habe keine Ahnung, was dieses Zeichen darstellen soll. Denn Japaner vergessen tatsächlich auch manchmal ihre eigene Schrift. Manche Worte benutzt man aber auch einfach viel zu wenig.

Schreinfest in unserem Viertel

Das war nun erstmal ein grober Überblick über meinen ersten Monat in Shizuoka. Wie gesagt hoffe ich, dass ich demnächst wieder öfter schreibe. Ich denke, dass dann ein paar alltagsbezogene Artikel (aka Japan vs. Deutschland im Sinne von Dingen die ich komisch oder bemerkenswert finde) kommen werden, weil ich halt nicht mehr so unfassbar viel Zeit habe wer weiß was für abenteuerliche Dinge zu unternehmen- vor allem weil Shizuoka, wie der Name schon sagt (übersetzte "Stiller Hügel"- oder Silent Hill, wie die Horrorspiele-Reihe ;) ), relativ ruhig ist und man auch nicht dauernd überall irgendwas ungewöhnliches machen kann.

In diesem Sinne:
Mata ne!

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